Während der Start ins neue Jahr eher mäßig sein sollte, rechnen wir für den weiteren Verlauf von 2024 mit einer Belebung. Die Realeinkommen steigen angesichts der abflauenden Inflation wieder stärker und der maximale negative Effekt der geldpolitischen Straffung dürfte bereits 2023 verzeichnet worden sein.
Zwar bleibt das Niveau der Leitzinsen sehr hoch, aber die zusätzlich bremsende Wirkung ihrer Veränderung dürfte abklingen. Letztere ist nur vorübergehend, aber umso größer, je überraschender die Zinserhöhungen kommen. 2022 und 2023 wurden die Erwartungen der meisten Beobachter in dieser Hinsicht deutlich übertroffen. Der prognostizierte Kurswechsel der Fed fällt hingegen nicht so kräftig aus, dass davon schon 2024 größere konjunkturelle Impulse ausgehen würden. Dies wird eher eine Story für 2025 sein.
Das relativ niedrige jahresdurchschnittliche Wachstum 2024 von nur 1,3 % (2023: 2,3 %) ist dabei vor allem eine Folge des schwachen Starts ins Jahr. Im Verlauf sollte die Dynamik anziehen und für Ende des Jahres rechnen wir wieder mit Vorquartalsraten von (annualisiert) über 2 %.
Nicht zuletzt der Wohnungsmarkt scheint den größten Teil seiner Korrektur bereits hinter sich zu haben. Dies ist auch eine gute Nachricht für das Bankensystem, wo sich die Lage nach der Verunsicherung im Frühjahr 2023 mittlerweile stabilisiert hat. Die Bilanz des Haushaltssektors sieht solide aus, trotz spürbar gestiegener Zinslasten. Die Entwicklung der Realeinkommen sollte die Wirkung einer perspektivisch wieder leicht anziehenden Sparquote auf den Konsum überkompensieren.
Strittig sind hingegen die Perspektiven für den Unternehmenssektor. Zwar haben diese, auf Basis mancher Berechnungsmethoden, historisch hohe Verschuldungsquoten. Dem stehen aber, gemessen am Nationaleinkommen, bis zuletzt sehr starke Unternehmensgewinne gegenüber (Schaubild). Wir gehen davon aus, dass auch die Investitionen einen nennenswerten Beitrag zur Erholung beisteuern werden.
Die hohe Gewinnquote ist vor allem deshalb überraschend, weil der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren angespannter war als seit Jahrzehnten. Entsprechend mussten die Unternehmen erhebliche Lohnstei-gerungen hinnehmen, die aber per saldo die im langfristigen Vergleich hohe Gewinnquote nur leicht gesenkt haben. Das aktuelle Niveau (zweites Quartal) wurde in den letzten fünfzig Jahren nur selten übertroffen.
Der noch immer sehr enge Arbeitsmarkt sollte sich zunächst abkühlen. Wir gehen davon aus, dass die Arbeitslosenquote vom Tief von 3,4 % kommend noch ein paar Zehntel steigt und bei 4,2 % ihr Hoch erreicht, bevor die konjunkturelle Erholung leicht verzögert auch am Arbeitsmarkt für Besserung sorgt. Gemessen am Umfang der geldpolitischen Straffung und des vorangegangenen Inflationsschocks wäre dies eine sehr weiche Landung.
Der Konsens der von Bloomberg befragten Ökonomen sah im Oktober 2023 das Risiko einer Rezession in den kommenden zwölf Monaten noch immer als überdurchschnittlich hoch an (50 %). Die Prognostiker verschieben dabei aber die Minusquartale in jeder monatlichen Umfrage nach hinten. Dies war aus unserer Sicht 2023 plausibel. Ein „dickes Ende“ erst irgendwann im späteren Verlauf von 2024 wird jedoch zunehmend unwahrscheinlich, zumindest wenn die Fed – wovon fast alle ausgehen – schon 2023 am Ende ihres Zinserhöhungszyklus angekommen ist.
Politisch wird 2024 im Zeichen des Wahlkampfes stehen. Im November 2024 wird nicht nur der Kongress neu gewählt, sondern auch der Präsident. Mit den wahrscheinlichen Kandidaten Joe Biden und Donald Trump stehen zwei sehr unterschiedliche Personen und Programme zur Auswahl – wenn man bei Trump von einem Programm sprechen kann.
Zwar dürften die möglicherweise schwankenden Erwartungen hinsichtlich des Wahlausgangs im Verlauf des Jahres keine direkten konjunkturellen Auswirkungen haben. Dies setzt aber voraus, dass es an den Finanzmärkten deswegen nicht in größerem Umfang zu Kapriolen kommt. Vor allem Äußerungen der Wahlkämpfer hinsichtlich des Umgangs mit China könnten leicht zu einer zusätzlichen Verschlechterung der sino-amerikanischen Beziehungen beitragen.
Fiskalpolitisch wird 2024 angesichts der Mehrheitsverhältnisse im 118. Kongress wahrscheinlich nicht mehr viel passieren. Laut den Zahlen des IWF wird die Haushaltspolitik in den USA auf Basis der aktuellen Gesetzeslage bremsend wirken, nachdem sie 2023 noch ein konjunktureller Rückenwind war.
„Boring!“
Homer Simpson bei seinem ersten Fußballspiel
Der fehlende politische Konsens sorgt dabei dafür, dass mögliche „government shutdowns“ auf der Tagesordnung bleiben. Das leidige Thema „Schuldenobergrenze“ ist bis Anfang 2025 vom Tisch, wird dann aber wieder akut – gerade, wenn der frisch gewählte 119. Kongress und vielleicht ein neuer Präsident antreten.
Der Preis der zuletzt die Konjunktur stützenden Fiskalpolitik sind noch immer ungewöhnlich hohe Defizite. Sowohl 2023 als auch 2024 sollte der Fehlbetrag auf Bundesebene in der Größenordnung von mehr als 6 % am BIP liegen – früher in Friedenszeiten ohne Rezession undenkbar.
Die öffentlichen Schuldenberge wachsen, zunehmend getrieben auch von den deutlich steigenden Zinskosten. Diese schränken den Haushaltsspielraum in einer Zeit ein, wo angesichts kommender demografi-scher Herausforderungen eigentlich dringend ein finanzieller Puffer aufgebaut werden müsste.
Der Disinflationsprozess wurde 2023 von einem deutlichen Rückgang der Energiepreise unterstützt, der sich 2024 nicht wiederholen wird. Stattdessen steigen die Energiepreise wieder. Ähnlich sieht es bei dem Effekt der globalen Lieferketten aus: Nach einer spürbaren Entspannung 2022/2023 wirken sie nun eher neutral.
Entsprechend ist es eine abflauende Kernteuerung vor allem bei Dienstleistungen, die im neuen Jahr die Inflation insgesamt drücken wird. Im Jahresschnitt sollte der Verbraucherpreisindex um 2,7 % steigen, der Kernindex um 2,9 %. Zur Jahreswende 2024/2025 würden die Teuerungsraten damit bei 2,3 % (Gesamtindex) und 2,5 % (Kernindex) liegen. Das Inflationsziel der Notenbank wäre also am Jahresende in greifbarer Nähe, aber noch nicht ganz erreicht. Eine Rückkehr in ein Umfeld „zu niedriger“ Inflation halten wir für unwahrscheinlich.
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