Regierungschaos, zweistellige Inflationsraten, ein massiver Renditeanstieg und Rezessionssorgen – im Herbst 2022 waren die Perspektiven für Großbritannien ziemlich düster. Gemessen daran kam das Land dann doch besser durch das Jahr: Die Regierung hat sich unter Premier Sunak stabilisiert. Die Inflation ist zwar noch hoch, aber klar rückläufig. Die Gilt-Renditen haben sich auf erhöhtem Niveau eingependelt. Die befürchtete Rezession ist nicht eingetreten, das Wachstum fällt mit 0,5 % allerdings bescheiden aus. Rosig sieht jedoch anders aus.
„Wie so oft liegt auch hier die Mitte in der Wahrheit“
Rudi Völler
Den Energiepreisschock hat die britische Wirtschaft einigermaßen verkraftet. Die Energierechnung der Verbraucher geht 2024 weiter zurück, selbst wenn sie über dem Vorkrisenniveau bleibt. Nachwirkungen dürfte aber der Zinsschock haben.
Angesichts des – anders als früher – recht hohen Anteils von festverzinslichen Hypothekendarlehen steigt die Belastung aber nur allmählich. Die Bautätigkeit wird zumindest darunter leiden. Darüber hinaus heben gefallene Preise für Wohnimmobilien kaum die Stimmung der Konsumenten. Sie werden 2024 aber vermutlich einen Boden ausbilden. Die Arbeitslosigkeit wird noch etwas anziehen. Dennoch sind die Perspektiven für den privaten Verbrauch durchaus günstig. Die rückläufige Teuerung bei einem nach wie vor robusten Lohnwachstum wird die Realeinkommen steigen lassen.
Bei den Unternehmen wird sich der Zinsanstieg wohl deutlicher bemerkbar machen. Die Investitionen dürften nach drei Jahren recht robusten Wachstums – was übrigens die Schwäche seit dem Brexit-Referendum relativiert – 2024 allenfalls leicht expandieren.
Die Impulse vom Außenhandel werden sich trotz zunehmender Exporte in Grenzen halten. Denn der Regie-rung fehlen die finanziellen Mittel für eine große Unterstützung. Vor den Unterhauswahlen zum Jahres-wechsel 2024/25 wird die Fiskalpolitik aber auch kaum bremsen. Insgesamt wird das BIP-Wachstum 2024 mit 1 % etwas freundlicher ausfallen.
Die Teuerung hat sich verlangsamt, selbst wenn sie im Durchschnitt 2023 mit 7,4 % noch erschreckend hoch liegt. Auch jenseits der rückläufigen Energiepreise zeigt der Trend bei den übrigen Gütern und Dienstleistungen nach unten. Hingegen dämpft das deutliche Lohnwachstum die Disinflation vor allem im Servicesektor. Bei Nahrungsmitteln lässt der Preisanstieg nur langsam nach. Dank der konjunkturellen Abschwächung und der damit verbundenen geringeren Auslastung dürfte sich die Inflation 2024 mit 3,5 % gegenüber dem Vorjahr mehr als halbieren.
Die britische Notenbank hatte im Zuge der Inflationsbekämpfung beherzt gestrafft, aber zwischenzeitlich den Mut verloren. Der Zinserhöhungszyklus läuft noch 2023 aus. Im Anschluss kann sich die Bank of England erst einmal zurücklehnen und abwarten, ob die Teuerung wie gewünscht fällt. Das 2 %-Ziel wird 2024 nicht erreicht. Im zweiten Halbjahr fällt der Blick aber mehr auf 2025, so dass dann erste Zinssenkungen realistisch erscheinen.
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