Deutschland spielt zurzeit nicht um die ersten Ligaplätze. Die Wirtschaftsleistung ist seit sechs Quartalen nicht mehr gestiegen, während die Eurozone 2023 um schätzungsweise 0,5 % gewachsen ist. Das Verarbeitende Gewerbe dürfte global allerdings wieder Tritt fassen. Deutschland mit seinem überdurchschnittlichen Industrieanteil sollte hiervon profitieren. Damit wird die hiesige Wirtschaft 2024 mit 1,3 % immerhin den Durchschnitt des Währungsraumes erreichen.
Nur durch beherzte Strukturreformen steigt das Produktionspotenzial
Strukturelle Probleme verhindern ein noch stärkeres Wachstum: Die Gasversorgung wurde zwar erfolgreich umstrukturiert, die Gaspreise sind nun allerdings höher als zuvor und anderswo. Zudem ist Strom teuer. Insbesondere energieintensive Branchen werden hierdurch in ihrer Entwicklung gebremst.
Andere strukturelle Faktoren wie hohe Steuern und Bürokratie sowie die schwache Produktivitätsentwicklung belasten nicht erst seit kurzem. Sie sollten politisch entschiedener bekämpft werden. Der momentane Rückstand zur Eurozone erklärt sich zudem durch die umfangreichen Finanztransfers aus Brüssel, von denen vor allem Italien und Spanien profitiert haben. Diese Effekte dürften allmählich an Bedeutung verlieren.
Dominierendes Thema war bereits seit Sommer 2021 der immer stärkere Anstieg der Verbraucherpreise. Dies nahm den Konsumenten die Luft zum Atmen. Die Reallöhne sanken zeitweise deutlich, und die real verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte dürften 2023 zum dritten Mal in Folge leicht gesunken sein. Da die Sparquote das Vorkrisenniveau erreicht hat und sich zuletzt kaum mehr änderte, sanken 2023 auch die privaten Konsumausgaben um schätzungsweise 0,7 %.
Eine Besserung ist aber absehbar: Die Inflationsrate wird sich 2024 nach 6 % deutlich auf etwa 3 % verringern. Die Beschäftigung in Deutschland ist trotz der zuletzt schwachen Konjunktur kontinuierlich gestiegen. Dies dürfte sich mit wieder anziehender Konjunktur fortsetzen. Die Arbeitslosigkeit nimmt um die Jahreswende 2023/2024 nur temporär zu, so dass es kaum zu einer größeren Bremswirkung des Konsums kommt.
Gleichzeitig steigen die Nettolöhne und -gehälter deutlich, auch weil neben den zum Teil kräftigen Lohnerhöhungen die Tarifeckwerte der Einkommensteuer angepasst und Inflationsausgleichprämien bis 2024 abgabenfrei gezahlt werden können. Höhere Renten, die Anhebung der Grundsicherung und die stark gestiegene Migrantenzahl lassen zudem die monetären Sozialleistungen zunehmen.
Die Unternehmens- und Vermögenseinkommen hingegen dürften kaum wachsen. In der Summe dürften die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte um rund 4 ¼ % zulegen. Bei nahezu unveränderter Sparquote bedeutet dies einen Zuwachs der privaten Konsumausgaben von 1,3 %.
Auch der Konsum des Staates hat 2023 gebremst, vor allem durch den Wegfall der Ausgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Dieser Effekt spielt 2024 keine Rolle mehr. Der Staatskonsum, der gut ein Fünftel zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, dürfte von niedrigerem Niveau aufgrund steigender Löhne und Gehälter der Staatsbediensteten und des zunehmenden Bedarfs in den Bereichen Gesundheit, Pflege und Bildung wieder expandieren.
Während sich die Ausrüstungen 2023 mit einem Anstieg von 4 % robust gezeigt haben, sind die Bauinvestitionen zum dritten Mal in Folge gesunken (-1,5 %). Diese Spaltung wird sich 2024 fortsetzen.
Die Ausrüstungen litten bislang nur begrenzt unter dem starken Zinsanstieg. Die Unternehmen haben in ihren Fuhrpark investiert, zumal die staatliche Förderung für den Kauf von Elektrofahrzeugen im August 2023 ausgelaufen ist. Hier sind nun geringere Impulse zu erwarten. Zudem ist die inländische Nachfrage nach Produkten der Kapitalgüterhersteller schwach. Der erwartete Aufschwung im Verarbeitenden Gewerbe sollte sich allerdings 2024 positiv auswirken. Zunehmende Impulse werden ab 2024 auch vom Sondervermögen Bundeswehr in Höhe von 100 Mrd. Euro ausgehen. Die Ausrüstungsinvestitionen dürften damit 2024 um etwa 2 % zulegen.
Der Rückgang der Bautätigkeit wird sich 2024 in der Größenordnung von 1 % fortsetzen. Überdurchschnittlich schrumpft der Wohnungsbau. Gestiegene Baukosten und hohe Zinsen belasten hier die Kalkulationsgrundlage. Neubau ist häufig nur noch zu Preisen möglich, die am Markt nicht realisiert werden können. Immerhin haben sich die Auftragseingänge nach dem Einbruch zuletzt stabilisiert. Die Wohnungsbaugenehmigungen sind 2023 um fast 30 % gesunken. Die Fertigstellungen dürften 2024 nur noch in einer Größenordnung von 200.000 liegen.
Aufgrund der schwierigen Lage hat die Bundesregierung im September 2023 ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt, das neben der degressiven Abschreibung von jährlich 6 % für neue Wohngebäude auch die deutliche Anhebung der Einkommensgrenzen für zinsvergünstigte Darlehen enthält. Diese Maßnahmen dürften sich ab 2024 allmählich positiv auswirken.
Zudem beträgt der Anteil des Neubaus am gesamten Wohnungsbauvolumen nur rund 30 %. Bei den Bauleistungen an bestehenden Gebäuden sieht es weniger dramatisch aus. Hohe Energiepreise, politische Vorgaben und Förderungen dürften 2024 zu Impulsen bei der energetischen Sanierung inklusive des Heizungsbaus führen.
Im Nichtwohnungsbau verlief die Auftragsvergabe stabiler als im Wohnungsbau. Im gewerblichen Bau wirken sich die lebhaften Investitionen der Deutschen Bahn positiv aus. Viele private Unternehmen dürften aber erst mit klaren Signalen einer konjunkturellen Belebung an eine steigende Auftragsvergabe denken. Die Budgetplanungen der öffentlichen Haushalte hingegen lassen weiterhin hohe Ausgaben erwarten. 2024 dürften auch die Baukosten zurückkommen, so dass in realer Rechnung Zuwächse wahrscheinlich sind.
Die deutschen Exporte sind 2023 nicht vom Fleck gekommen. Die konjunkturelle Flaute in China und in der Eurozone hat gebremst. Sinkende reale Importe haben den Außenbeitrag allerdings etwas erhöht. Mit der günstigeren Weltkonjunktur dürften sich 2024 zwar allmählich wieder mehr Chancen für den deutschen Außenhandel ergeben. Mit dem lebhafteren Konsum steigen allerdings auch die Importe, so dass der Wachstumsbeitrag vom Außenhandel überschaubar ausfällt.
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