Anders als beim Fußball taugt Japan aus Sicht der Wirtschaft schon lange nicht mehr als Angstgegner. Seit den neunziger Jahren wuchs die Wirtschaft insgesamt nur verhalten. Ein signifikantes Plus gab es zumeist nur nach zuvor deutlichen Rückschlägen. Von daher überrascht der voraussichtliche Zuwachs von rund 2 % im Jahr 2023. Japan kann damit fast alle G7-Staaten hinter sich lassen. Seit der Pandemie fällt das Land zumindest nicht mehr hinter Europa zurück. Kann die japanische Wirtschaft damit an frühere Erfolge anknüpfen?
Impulse vom Außenhandel und den Ausrüstungsinvestitionen machen auf den ersten Blick Hoffnung. Im Detail sieht es aber weniger rosig aus: Den Nettoexport trieben eher rückläufige Importe und die Investiti-onsdynamik hat bereits wieder nachgelassen. Während Außenhandel und Investitionen 2024 wohl weniger zum Wachstum beitragen werden, dürfte der private Konsum relativ stabil bleiben. Die Realeinkommen werden sich in Japan verbessern, wenngleich die Impulse sowohl von der Lohnentwicklung als auch der Disinflation weniger kräftig als anderswo ausfallen.
Auch der Staat wird das Wirtschaftswachstum nicht im größeren Ausmaß stimulieren. Daher sind die Aussichten für 2024 nicht euphorisch, sondern sprechen mehr für ein BIP-Wachstum auf Normalmaß um 1 %.
An viel frühere Tage erinnerte die Inflation, die in der Spitze auf mehr als 4 % kletterte und damit so hoch wie seit mehr als 40 Jahren nicht mehr lag. Nach gut 3 % im Jahr 2023 dürfte die Teuerung aufgrund einiger Basiseffekte – u. a. entfällt der Preisschub durch die Yen-Abwertung – etwas nachlassen.
Allerdings deuten die erhöhten Kerninflationsraten daraufhin, dass die Preissteigerung breiter als bei vergangenen Anstiegen ausfällt. Zunehmende Löhne sprechen dafür, dass sich die Inflation auf höherem Niveau einpendelt. 2024 wird die Teuerungsrate wohl im Durchschnitt über 2 % bleiben. Die Deflationszeiten sind beendet. Das wird die Notenbank vermutlich sogar als Erfolg werten.
Anders als alle anderen wichtigen Notenbanken hat die Bank of Japan ihre Geldpolitik noch nicht merklich gestrafft. Lediglich im Rahmen ihrer Zinskurvensteuerung hat sie die Bandbreiten für zehnjährige Staatsan-leiherenditen gelockert. Reguläre Zinserhöhungen bleiben wohl vorerst außer Reichweite. Schließlich wird sich die Inflation 2024 verringern, auch wenn nicht auszuschließen ist, dass sie in den Folgejahren – insbesondere ohne Straffung – wieder höher ausfällt.
„Es muss eine Kehrtwende geben.
Und die muss 360 Grad sein“
Eduard Geyer
Gut möglich ist jedoch, dass die Bank of Japan die Zinskurvensteuerung beendet bzw. soweit lockert, dass sie keine Rolle mehr spielt. Wirklich restriktiv wird die Geldpolitik damit nicht, aber es wäre zumindest ein Schritt in Richtung Normalisierung. Die achtziger Jahre mit hohem Wachstum und spürbarer Teuerung werden nicht zurückkommen. Aber mutmaßlich normalisieren sich Wachstum und Inflation soweit, dass Japan nicht mehr der große Ausreißer mit Stagnation und Deflation ist.
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