Für China war 2023 ökonomisch ein Jahr des tiefen Falls. Die Euphorie über den erwarteten kräftigen und längeren Aufschwung nach dem Ende der Null-Covid-Politik währte nur kurz. Stattdessen folgten eine Korrektur des Exportbooms der Vorjahre und eine ausgeprägte Nachfrageschwäche im Inland. Letztere war nicht zuletzt getrieben von starken Verwerfungen im Wohnungssektor und den damit verbundenen Effekten auf das Finanzsystem.
Aber damit nicht genug: Die USA und andere westliche Länder machten Ernst mit ihrer Ankündigung, China im High-Tech-Bereich aus den internationalen Lieferketten zurückzudrängen. Und strukturelle Probleme – vor allem, aber nicht nur demografische – werfen die Frage auf, ob China die USA jemals als größte Volkswirtschaft der Welt ablösen wird – was jahrelang eigentlich als ausgemachte Sache galt.
Kann 2024 vor diesem Hintergrund nur besser werden? Grundsätzlich ja, aber es wird kein Selbstläufer. So liegt das Potenzial für eine Eskalation des Handels- und Technologiestreits mit den USA in einem Wahljahr, in dem sich die Kandidaten für das Weiße Haus und den Kongress als hart gegenüber China profilieren wollen, auf der Hand. Auch der strukturelle Gegenwind von der Demografie nimmt im Zeitablauf weiter zu.
„Peak China?“
Schlagzeile des Magazins „The Economist“,
Mai 2023
Die Regierung muss daher über geld- und fiskalpolitischen Stimulus hinaus dringend die systemischen Ungleichgewichte am Immobilienmarkt und im Finanzsystem angehen. Mit einem durch hohe Schulden und versiegende Cash-Flows paralysierten Wohnungssektor, verunsicherten Konsumenten und Wohnungskäufern sowie einem angeschlagenen Bankensystem ist eine nachhaltige konjunkturelle Erholung kaum oder gar nicht darstellbar.
In unserem Basisszenario gelingt eine solche Erholung zwar, aber ohne dass die Nachfrage deswegen boomen würde. Ihre aktuelle Zurückhaltung, was die Dosis des Konjunkturstimulus angeht, wird die Regierung nicht komplett ablegen. Mit einem prognostizierten 5 %-Anstieg des realen BIP im Jahr 2024 kehrt China grob zu seinem „normalen“ Wachstum zurück. Dass dieser Wert im Jahresschnitt sogar etwas niedriger ausfällt als das „problematische“ Vorjahr ist der enormen Volatilität rund um den Shutdown in Schanghai 2022 und der Öffnung der Wirtschaft Anfang 2023 geschuldet.
Insgesamt dominieren in China 2024 landesspezifische Abwärtsrisiken, sowohl binnenwirtschaftlich als auch außenpolitisch. Insbesondere der Immobilienmarkt bleibt eine Gefahr für die Stabilität. Die Regierung behandelt ihn daher als Priorität und verfügt über weitergehende Eingriffsmöglichkeiten als ihre Pendants in den Industriestaaten. Das Risiko, dass eine ökonomisch und teilweise auch politisch angeschlagene chinesische Führung einen besonders aggressiven außenwirtschaftspolitischen Kurs steuert, ist aber 2024 nach wie vor erhöht.
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