Für das Vereinigte Königreich war 2022 ein fürchterliches Jahr: Die Queen ist gestorben, drei Premierminister waren im Amt und Regierungspläne wurden an den Finanzmärkten abgestraft wie in einem Schwellenland. Zugleich sprang die Inflation auf nicht mehr für möglich gehaltene Höhen, während sich die Konjunktur massiv verschlechterte.
„Liz Truss is already a historical figure (...) she is set to be remembered as the prime minister whose grip on power was the shortest in British political history. (...) she had seven days in control. That is the shelf-life of a lettuce.“
The Economist
2023 geht es um Schadensbegrenzung und eine Stabilisierung der Lage. Dies könnte mit einer strafferen Geldpolitik sowie einer soliden Haushaltspolitik unter dem neuen Premier Sunak gelingen.
Die Wirtschaft startete noch so schwungvoll ins Jahr 2022, dass trotz eines rückläufigen zweiten Halbjahrs das Bruttoinlandsprodukt insgesamt um 4,4 % zulegt. Aufgrund des Energiepreisschocks, des kräftigen Inflationsanstiegs sowie der restriktiveren Geldpolitik dürfte die Konjunktur aber eine Vollbremsung vollziehen.
Insbesondere im Winterhalbjahr fallen die Minuszeichen deutlich aus. Vor allem der private Konsum wird betroffen sein. Schrumpfende Realeinkommen belasten die privaten Haushalte. Ein Abbau der Ersparnisse sowie staatliche Hilfen – nicht zuletzt der Preisdeckel für Strom und Gas – dämpfen immerhin den Rückgang des Konsums, der Arbeitsmarkt verschlechtert sich nur moderat.
Eine nachlassende Nachfrage wird die Investitionsbereitschaft der Unternehmen verringern, so dass auch deren Ausgaben zurückgehen. Der Staat kann nach den gescheiterten Steuersenkungsplänen nur begrenzt helfen und wird allenfalls leicht das Wachstum stützen. Die schwächere Binnennachfrage lässt das sehr hohe Handelsdefizit schrumpfen.
Der Inflationsanstieg war mit mehr als 10 % in Großbritannien ausgeprägter als in anderen größeren Ländern. Die Kernrate ohne Energie stieg sehr deutlich. Daran war auch der Brexit beteiligt, geht er doch mit einem Mangel an Arbeitskräften und einer geringeren Konkurrenz unter den Unternehmen einher.
Im Zuge der sinkenden Nachfrage sollte die Preisüberwälzung aber schwieriger werden und sich die Teuerung mit Hilfe von Basiseffekten im Laufe von 2023 verringern, so dass die Inflation auf „nur“ 6,5 % sinkt. Die Bank of England dürfte den Leitzins bis ins Frühjahr auf 4,5 % anheben und könnte ihn Ende 2023 sogar wieder senken.
Eine nachlassende Teuerung stabilisiert die Realeinkommen, der Inflationsschock wird allmählich verdaut. Im zweiten Halbjahr dürfte sich die Stimmung allgemein aufhellen, so dass die Wirtschaft dann wohl wieder wachsen wird. Im Gesamtjahr 2023 bleibt ein Rückgang des BIP von 1 %. Sofern nicht neuerliche Querschüsse von der Politik kommen, wird das nächste Jahr versöhnlicher enden als 2022.
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