17.11.2020
In diesen ungewöhnlichen und unsicheren Zeiten geht der Konjunktur- und Kapitalmarktausblick der Helaba der Frage nach: Wer führt uns in die Zukunft? In diesem Sinne präsentiert Märkte und Trends 2021 eine Auswahl von Charakteren, die wegweisend sein könnten. Das Hauptszenario trägt den Titel „Mit der Nanny durch die Krise“. Einflussreich könnten aber auch der „Poltergeist“ (negatives Alternativszenario) und der „Avatar“ (positives Alternativszenario) sein.
Im Zuge der Corona-Krise versuchen die Staaten weltweit, mit diversen Maßnahmen das Verhalten ihrer Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen zu lenken und ihnen gleichzeitig unterstützend zur Seite zu stehen. „Das ist das, was man üblicherweise unter Erziehung versteht. Somit werden die Staaten/Regierungen - wie eine Nanny - mit ihrer erzieherischen Arbeit, die auch Sicherheit vermitteln soll, 2021 weiterhin aktiv sein“, erklärt Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba. Diesem Szenario misst sie eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 70 Prozent zu.
Infolge der Pandemie mit den strengen Lockdowns in vielen Ländern schrumpfte die Weltwirtschaft 2020 so deutlich wie noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Für Deutschland gehen die Helaba-Volkswirtinnen und -Volkswirte von -5,4 Prozent aus, in der Eurozone dürfte der Rückgang fast 7 Prozent betragen.
Geld- und Fiskalpolitik helfen, die Folgen des Schocks wie Firmenpleiten und Arbeitslosigkeit abzumildern. So hat vor der „zweiten Welle“ die ökonomische Erholung weltweit eingesetzt. Sie dürfte allerdings im vierten Quartal pausieren. Im Jahr 2021 steigen die Zuwachsraten wieder kräftig. Deutschland wird mit 5 Prozent das höchste Wirtschaftswachstum seit Anfang der 1990er Jahre verzeichnen. Hierbei unterstellen die Helaba-Volkswirtinnen und -Volkswirte, dass es nicht zu einer Neuauflage der landesweiten wochenlangen und vollständigen Lockdowns kommt und in den nächsten Monaten ein Impfstoff zugelassen wird.
„Die Notenbanken kümmern sich um immer neue Aufgabenfelder wie Sozial- oder Umweltpolitik. Die Kernaufgabe der Geldpolitik – die Wahrung der Preisniveaustabilität – wird in den Hintergrund gedrängt“, erläutert Traud. Hierfür wird 2021 ein gutes Beispiel sein: Trotz anziehender Teuerungsraten werden die Notenbanken ihren Expansionsgrad nicht zurückführen und teilweise sogar ausweiten. Zudem stellen die Geldpolitiker mit der Null- oder Negativzinspolitik den Regierungen scheinbar einen Freibrief für zusätzliche schuldenfinanzierte Maßnahmen aus.
Die kräftige Ausweitung der staatlichen Eingriffe in das Wirtschaftsgeschehen mag kurzfristig angemessen sein. Sie birgt aber mittel- bis langfristige Risiken, nicht nur für die Freiheit des Einzelnen, sondern auch für die ökonomische Dynamik. Angesichts des demografischen Wandels sind ein großer und moderner Kapitalstock sowie eine hohe Arbeitsproduktivität wichtig, gerade für Deutschland. Wie sich welche Partei im Bundestagswahlkampf 2021 diesbezüglich positioniert, sollte deshalb aufmerksam beobachtet werden. Wer ist bereit, das langfristige Wohl des Schützlings über kurzfristige politische Vorteile zu stellen?
Aktien bewegen sich auch 2021 im Spannungsfeld zwischen hoher Bewertung und dem Mangel an Anlagealternativen. Bis wirksame Impfstoffe zur Verfügung stehen, bleiben sie auf die Unterstützung durch Geld- und Fiskalpolitik angewiesen. Angesichts der dynamischen Konjunkturerholung versprechen Aktien 2021 unter den Anlageklassikern am besten zu laufen. Der DAX dürfte gegen Jahresende etwa 14.000 Punkte erreichen.
Am Rentenmarkt bleibt der Zinsanstieg trotz Konjunkturerholung und höherer Inflationsraten überschaubar, da die Notenbanken durch ihre Ankaufprogramme die Renditeniveaus kontrollieren. 10-jährige Bundesanleihen werden den negativen Bereich bis Jahresende 2021 mit -0,2 Prozent nicht verlassen.
Immobilien profitieren weiter von den sehr niedrigen Zinsen. Allerdings wirkt die Rezession nach. In gewerblichen Segmenten, vor allem im Einzelhandel, werden die Mieten und Kaufpreise 2021 sinken. Dagegen setzt sich der Aufwärtstrend am deutschen Wohnungsmarkt dank weiterhin solider Nachfrage und knappem Angebot nur etwas verlangsamt fort.
Bei Gold kommt es 2021 trotz Überwindung der Pandemie nicht zu einer Gegenbewegung. Die anhaltend negative Realverzinsung und die extrem gestiegene Staatsverschuldung unterstützen das Edelmetall, das zu Jahresende bei 2.000 US-Dollar bzw. 1.600 Euro pro Unze notiert.
Beim US-Dollar mahnen die hohe Bewertung sowie ein hohes Haushaltsdefizit bei gleichzeitig chronischem Leistungsbilanzdefizit zur Vorsicht. Der Euro-Dollar-Kurs liegt zum Jahresende bei 1,25.
Im negativen Alternativszenario verstärkt sich die Unsicherheit noch einmal. Gerade die Dinge, die wir nicht sehen, machen hier Angst. Der Poltergeist verkörpert dieses Phänomen: Obwohl gestaltlos, schikaniert er Häuser und deren Bewohner. Die Weltwirtschaft wird weiter von dem fast unsichtbaren Virus gequält. Die Weltwirtschaft fällt zurück in die Rezession. Der DAX sinkt in den Bereich um 10.000 Punkte. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen notiert am Jahresende tief im negativen Bereich. Gold erreicht als Krisenwährung neue Rekordmarken. Der US-Dollar profitiert einmal mehr von schwierigen Zeiten, der Euro-Dollar-Kurs fällt auf die Parität.
Im positiven Alternativszenario zeigt sich, dass nicht alles schlecht ist, was sich gerade verändert. Die Digitalisierung eröffnet Möglichkeiten, die für viele noch unvorstellbar klingen. Der Avatar symbolisiert den erfolgreichen Strukturwandel. Die Weltwirtschaft erholt sich sehr schnell von der Krise. Innovationen treiben den Fortschritt und das Wachstum sowie die Aktienmärkte deutlich an. Der DAX überspringt die 16.000er Marke. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen verlässt infolge deutlich steigender Inflationserwartungen den negativen Bereich. Gold ist als Krisenwährung nicht mehr gefragt und verliert deutlich. Der kräftige konjunkturelle Schwung hilft dem Euro, zumal in Europa auch strukturell die Weichen für mehr Wachstum gestellt werden. Der Euro-Dollar-Kurs steigt auf 1,35.
Neben den Kapitalmarktprognosen enthält der Jahresausblick 14 Länderanalysen sowie Kurzberichte zu den Bundesländern Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.