Unser Positivszenario hat dieses Jahr eine geringere Wahrscheinlichkeit als das Negativszenario. Kurz gesagt: Damit es eintritt, muss mehr gut gehen als im anderen Fall daneben. Alle oder zumindest viele der politisch Verantwortlichen müssen nicht nur in Top-Form sein, sondern sich auch dem Mannschaftsspiel unterordnen.
Dies gilt insbesondere hinsichtlich zweier Hauptquellen von Verunsicherung und Irritation der jüngsten Vergangenheit: der verbreiteten Abkehr von der Globalisierung zugunsten eng definierter „heimischer“ Interessen und – damit verbunden – der Zunahme geopolitischer Streitigkeiten.
Ein Abbau dieser Spannungen ist ein zentraler Aspekt des Positivszenarios. Während das im Falle des Ukrainekriegs eher schwierig erscheint, ist im Verhältnis mit China auf beiden Seiten durchaus ein diplomatischer Kurs möglich, der mehr die gemeinsamen Interessen wie den Klimawandel und weniger die Zielkonflikte in den Mittelpunkt stellt. Eine weltweit engere Kooperation in der Handels- und Umweltpolitik sowie weniger Subventionswettlauf auf Kosten der ärmeren Länder brächten ebenfalls positive Impulse. Nicht einfach, aber auch nicht unrealistischer als ein Tor durch Fallrückzieher.
Neben diesen politischen Faktoren gibt es allerdings auch intrinsische Argumente für eine bessere Konjunktur. Diese greifen zwar schon im Basisszenario, können aber auch stärker als erwartet ausfallen. So ist der globale Industriezyklus wahrscheinlich nahe seinem Tief, die aufgestaute Nachfrage wird den Aufschwung stärken. Wegen des bei uns besonders schwachen Jahres 2023 besteht hier vor allem in Deutschland Aufholpotenzial. Strukturelle Probleme verhindern eine zyklische Erholung nicht.
Ein entscheidendes Charakteristikum des Positivszenarios ist dabei, dass es nicht nur einen Nachfrageboom umfasst, sondern auch einen positiven Angebotsschock, der verhindert, dass die Kernteuerung so wie 2021 durch die Decke geht. Am wahrscheinlichsten ist hier eine Kombination von technischem Fortschritt und mehr Kapital, sprich unternehmerischer Investitionstätigkeit. Die Potenziale von Innovationen wie KI oder die Chancen „grüner“ Technologien liegen auf der Hand.
Die Inflation zieht daher nur etwas mehr an als im Basisszenario, vor allem wegen des steigenden Ölpreises. Als Konsequenz haben die Notenbanken nicht viel mehr zu tun. Kurzfristig, d. h. am Anfang von 2024, wäre mit weiteren Zinserhöhungen rechnen, im Umfang von etwa 50 Basispunkten. Die Konjunktur kann dies aber gut verkraften, denn Trendwachstum und „neutraler“ Zins liegen dank der Investitionsdynamik deutlich über den Vergleichswerten im Basisszenario.
„Wenn es läuft, dann läuft es“
Manfred Schwabl
Sprudelnde Steuereinnahmen und weniger Sozialtransfers wegen der guten Wirtschaftslage ermöglichen den Regierungen trotz der etwas höheren Zinsen, die Verschuldung in den Griff zu bekommen. Bei starkem Wachstum riskiert man eher, den Rotstift anzusetzen und die Fiskalpolitik etwas zu straffen.
Das Wirtschaftswachstum nimmt stärker zu. Für Deutschland erwarten wir einen Anstieg des realen Bruttoinlandsproduktes um rund 2 %, deutlich mehr als im Basisszenario. Weil dies aber kein isolierter Nachfrageboom ist, bleibt der zusätzliche Impuls für die Inflation überschaubar – er konzentriert sich vor allem auf die Energiepreise. Auch im Positivszenario fallen die Inflationsraten im Jahresverlauf beidseitig des Atlantiks, nur eben langsamer als im Basisszenario.
Damit sind Zinssenkungen für die Notenbanken 2024 kein Thema. Stattdessen würden sie wohl auf kurze Sicht auf das bisher erreichte Zinsniveau noch mal ein bisschen was draufpacken. Die Fed hebt ihren Leit-zins auf etwa 6 % an, die EZB auf 5 %.
Die Anleihemärkte geraten durch die steigenden Leitzinsen und deutlich höhere Inflationserwartungen dies- und jenseits des Atlantiks unter Druck. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen nimmt bis Ende 2024 auf über 4 % zu. Die Risikoaufschläge für Staatsanleihen werden jedoch aufgrund der abnehmenden fiskal-politischen Sorgen tendenziell sinken.
Steigende Gewinne und Cashflows führen zu sinkenden Ausfallraten bei den Unternehmen. In der Folge verzeichnen die Risikoprämien der Corporates einen spürbaren Rückgang.
Für den Bankensektor bedeutet dies, dass die Problemkreditquoten auf ihrem zuletzt historisch niedrigen Niveau verharren. Das Kreditneugeschäft springt an. Dank der sehr guten Ertragslage können die Banken weiter Eigenkapital aufbauen, was sie zumindest teilweise über Aktienrückkaufprogramme und Dividenden wieder an ihre Eigentümer auszahlen.
„Da wir nicht voll auf Niederlage spielen, spielen wir voll auf Sieg“
Berti Vogts
Ein neuerliches Drehen an der Zinsschraube erhöht kurzfristig das Renditeniveau von Covered Bonds. Der „Safe-Haven-Status“ gedeckter Papiere ist bei nachlassender Risikoaversion für Investoren nicht länger ein maßgebliches Anlagekriterium.
Die Konjunkturerholung führt zu deutlich steigenden Umsätzen bei den Unternehmen. Da gleichzeitig die Margen hoch bleiben, kommt es zu zweistelligen Steigerungsraten bei den Unternehmensgewinnen. Der Risikoappetit nimmt deutlich zu. Anleger billigen Aktien eine signifikant höhere Bewertung zu. Der DAX überschreitet bis Jahresende 2024 die Marke von 20.000 Punkten.
Immobilien profitieren von der besseren wirtschaftlichen Lage, die den negativen Effekt weiter steigender Finanzierungszinsen überkompensiert. Die Wohnimmobilienpreise nehmen wieder dynamisch zu, während sich Büroimmobilien zumindest stabilisieren und Einzelhandelsimmobilien nach langjähriger Talfahrt etwas besser entwickeln.
Steigende Opportunitätskosten über nachhaltig höhere Realzinsen setzen Gold unter Druck. Zudem ist das Edelmetall auch nicht als Krisenwährung gefragt. Das Edelmetall sackt in Richtung 1.500 US-Dollar je Feinunze ab.
Die Aufhellung der Konjunktur und eine geopolitische Entspannung heben die Laune auch am Devisenmarkt. Der sichere Hafen US-Dollar wird weniger gefragt. Insbesondere überrascht in der Eurozone das Wachstum positiv. Dadurch schmilzt der Renditevorteil des Dollar gegenüber der Gemeinschaftswährung. Der Euro-Dollar-Kurs steigt bis auf 1,25.
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