Im Fußball geht es darum, frühzeitig junge Talente zu entdecken und zu fördern. Ökonomisch heißt das Humankapital. Ausbildung ist somit ein wesentlicher Faktor. Dies allein reicht aber nicht aus. Innovationen sind in beiden Bereichen ebenfalls ein Erfolgsfaktor: sei es KI als Unterstützung im Training oder für Unternehmen und den Staat oder Neuerungen in Spielsystemen sowie Trainingsmethoden.
Ressourcenmanagement spielt auch eine entscheidende Rolle: im Fußball die Aufstellung der besten Spieler und die Nutzung von Budgets, in der Gesamtwirtschaft Mitarbeiter, Kapital und andere Ressourcen. Die bessere Nutzung dieser Ressourcen für einen höheren Output steht also im Mittelpunkt. Gerade vor dem Hintergrund des Klimawandels sind Innovationen der Schlüssel für den Erfolg einer Nation.
Was helfen die besten Spielsysteme, wenn Training und Spiel auf einem Acker stattfinden? Ohne eine gut ausgebaute Infrastruktur kann weder das Team noch ein Land auf Dauer reüssieren. Wesentlich für eine erfolgreiche Nation ist sowohl eine digitale als auch eine gut funktionierende Verkehrsinfrastruktur.
Aber auch die Anreizsysteme müssen in beiden Welten attraktiv sein. Ein hoher Wettbewerb und intensiver Selektionsprozess führen dazu, dass nur wenige den Weg bis ganz an die Spitze schaffen. Darüber hinaus erfordern hartes Training, Verletzungsgefahren und Rückschläge einen starken Willen, Disziplin und Resilienz. Diejenigen, die dranbleiben und damit die Mannschaft zum Sieg führen, sollten dafür belohnt werden. Hohe Steuersätze und bürokratische Hürden tragen dagegen nicht dazu bei, dass die Besten im Land bleiben und Innovationen vor Ort erbringen.
Eine Mannschaft, die nur aus Stürmern besteht, hat keine Zukunft. Ähnliches gilt für eine Volkswirtschaft. Diversifikation ist notwendig, um langfristig erfolgreich zu sein. Externe Schocks wie zuletzt der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine haben unsere Verletzlichkeit deutlich gemacht. Flexibilität und Anpassungsfähigkeit sind sowohl im Fußball auch in der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung.
Für den Erfolg ist es notwendig, je nach Spielstand und individuellen Fähigkeiten der Spieler die Taktik anzupassen. Trainer und Mannschaften müssen reagieren können. Dafür sind mentale Stärke und technische Fähigkeiten der Spieler sowie eine gute Kommunikation und Abstimmung innerhalb der Mannschaft erforderlich.
All dies spannt den Bogen für unseren Jahresausblick 2024. Das kommende Jahr ist eine Herausforderung, bietet aber auch Chancen. Gerade in Deutschland herrscht die Meinung vor, dass 2024 mit einem Vorrundenaus gerechnet werden muss, also einer tiefen Rezession. Diesem Negativszenario messen wir eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 20 % bei.
Ja gut, es gibt nur eine Möglichkeit:
Sieg, Unentschieden oder Niederlage"
Franz Beckenbauer
Kaum vorstellbar erscheinen spektakuläre Ballakrobatik, perfektes Passspiel, Dribblingerfolge gegen mehrere Gegner und dann ein aus scheinbar unmöglicher Lage heraus erzieltes Tor – solcher Ballzauber ist im Fußball die Ausnahme, nicht die Regel. Das liegt unter anderem daran, dass so viel richtig laufen muss und alle Beteiligten mit vollem Engagement dabei sein müssen.
Das wirtschaftspolitische Äquivalent erfordert in ähnlicher Weise Teamgeist, eine Prise Genialität und eine Portion Glück: Nicht unmöglich, aber selten. Unser Positivszenario Ballzauber hat mit 10 % eine geringere Wahrscheinlichkeit als das Negativszenario. Kurz gesagt: Alle oder zumindest viele der politisch Verantwortlichen müssen nicht nur in Topform sein, sondern sich auch dem Mannschaftsspiel unterordnen.
Wie beim Fußball ein Ballverlust oder -gewinn ein sofortiges und grundsätzliches Umdenken erfordern kann, verlangt ein sich rapide verschiebendes makroökonomisches und geopolitisches Umfeld einen neuen Plan. Nach der Pandemie, also 2021/2022, haben die Geld- und Fiskalpolitik das nicht so gut hinbekommen. Wir gehen davon aus, dass dies 2024 besser gelingen wird. Deshalb ist das Umschaltspiel mit einer Eintrittswahrscheinlichkeit von 70 % unser Basisszenario.
Quelle: Helaba Research & Advisory
Die wichtigsten Spieler auf dem Platz werden auch 2024 die Notenbanken sein. Nach der verspäteten, dann aber massiven Straffung 2022/2023 sind Fed und EZB am Zinsgipfel angekommen. Ob die Spielmacher in den Notenbanken im Eifer des Gefechts nicht schon zu weit aus dem Mittelfeld in die gegnerische Hälfte vorgeprescht sind und zu viel gestrafft haben, wird eine der zentralen Fragen sein.
Geschmeidiges Dribbling wird auch in der Geopolitik gefragt sein. Die Weltwirtschaft droht, in zwei Technologie- und Handelsblöcke zu zerfallen. In den Industrieländern gewinnen Protektionismus und eine aktive Industriepolitik an Popularität. Unter anderem dürfte der Wahlkampf in den USA dafür sorgen, dass diese Themen 2024 in den Schlagzeilen bleiben.
Gleichzeitig zeigen sich, nicht zuletzt in Deutschland, immer mehr die Nachteile der ausufernden staatlichen Eingriffe, insbesondere in Form einer überzogenen Regulierung. Politische Widerstände gegen die Klimawende zu minimieren, fällt deutlich leichter, wenn man die oft absehbaren ökonomischen Nebenwirkungen geplanter Maßnahmen berücksichtigt und Marktkräfte nutzt, statt sie zu bekämpfen. Hier wäre 2024 ein gutes Umschaltspiel vielerorts besonders gefragt.
Begeben Sie sich mit uns auf den Fußballplatz. In diesem Jahr spielt sich dort unser Konjunktur- und Kapitalmarktausblick ab. Strategie und Taktik und manchmal auch ein Quäntchen Glück entscheiden darüber, ob wir uns im nächsten Jahr an einem abwechslungsreichen Umschaltspiel bzw. an beeindruckendem Ballzauber erfreuen können oder ein Vorrundenaus nicht nur für Enttäuschung auf dem Platz, sondern auch bei Ihren Anlageentscheidungen sorgt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen mit den Worten des Fußball-Altmeisters Franz Beckenbauer ein optimistisches „Schaun mer mal, dann sehn mer scho“ für das Jahr 2024.
Ihre
Dr. Gertrud R. Traud
Chefvolkswirtin/Managing Director
In Erinnerung an Barbara Bahadori
Ohne Deine Kreativität und Leidenschaft wäre der Jahresausblick nicht, was er ist.
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