Nachdem die konjunkturelle Entwicklung 2023 in den Industriestaaten in der Tendenz positiv überraschte, stellt sich die Frage: Ist die Rezession, die nach den massiven Leitzinserhöhungen eigentlich zu erwarten war, aufgehoben oder nur aufgeschoben? Deutschland ist dabei bisher schlechter gefahren als seine Nachbarn in der Eurozone oder die USA. Aber selbst hierzulande steckte die Wirtschaft den Inflationsschock und die geldpolitische Straffung bis dato besser weg als die meisten vorher gedacht hätten.
Nun sind die Wirkungsverzögerungen der Geldpolitik bekanntermaßen „lang und variabel“. Die These, die Notenbanken hätten doch übertrieben und es sei nur eine Frage der Zeit, bis wir das in den realwirtschaftlichen Daten sehen, ist schwer zu entkräften. Die Pessimisten haben in diesem Fall die historische Erfahrung eindeutig auf ihrer Seite.
Eine spürbare zyklische Kontraktion zu Beginn des Jahres ist daher nur allzu plausibel. Sie würde wohl die Phase des „unverwundbaren“ Arbeitsmarktes beenden, die vielerorts bislang für Überraschung gesorgt hat. Steigende Arbeitslosigkeit belastet die Einkommen und verunsichert die Konsumenten. Ein sehr kalter Winter könnte zudem das Thema „Energieengpässe“ wieder auf die Agenda bringen.
„Erst hat man kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu“
Jürgen Wegmann
Rezessionen ziehen stets auch die Finanzstabilität in Mitleidenschaft. Steigenden Ausfallquoten bei Krediten würde ein Rückgang der Zinsen gegenüberstehen – aber nicht auf die Rekordtiefs vor oder während der Pandemie.
Stattdessen sollte sich eine „neue Normalität“ offenbaren, in der die Leitzinsen nicht mehr auf oder unter null fallen und nicht überall wieder riesige Anleihekaufprogramme gestartet werden. Die Fed beispielsweise würde den Leitzins in diesem Szenario zwar wohl sehr beherzt senken – aber eben nur auf rund 2 %.
Wenn die Zinsen nicht mehr in die Regionen der Niedrigzinsphase zurückfallen, bleibt auch der Immobiliensektor unter Druck. Trotz schwacher Konjunktur sind Hypotheken weiterhin teurer als 2020/2021. Projektentwickler und Bauträger müssen sich kostspieliger refinanzieren. Die Korrektur am Immobilienmarkt dürfte daher weitergehen.
Die geopolitischen Spannungen sind in zahlreichen Regionen hoch – jüngstes Beispiel ist die Krise im Nahen Osten. Dies belastet die Stimmung, verunsichert und führt zu Zurückhaltung, insbesondere bei den Investitionen. Auf den Feldern der Geo- und Handelspolitik sind 2024 spektakuläre Eigentore denkbar. Hier zählt die richtige Taktik: Zwischen China und dem Westen kann – von beiden Seiten ausgehend – viel falsch gemacht werden. Dabei drohen Fehlentscheidungen zu Kollateralschäden auf anderen Gebieten zu führen.
Wenn die EU beispielsweise eine Strafsteuer auf chinesische Elektroautos einführen sollte, bremst dies den Umstieg von den Verbrennern. Milliardenschwere Subventionen für Chiphersteller und andere Großunter-nehmen fehlen an anderer Stelle – vor allem in einem konjunkturell schwachen Umfeld. Staatliche Industriepolitik kann zu Überkapazitäten, Ineffizienzen und höheren Preisen führen, die nicht nur die Klimawende verlangsamen, sondern auch den aus demografischen Gründen immer wichtiger werdenden Produktivitätszuwachs dämpfen.
Die Schwellenländer, deren Verschuldung bereits durch die Pandemie und den Rohstoffpreisschock nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs stark gestiegen war, stehen erneut im Fokus. Restrukturierungen der Auslandsverschuldung sind, stärker noch als in der Vergangenheit, bei den ärmeren Ländern ein Thema.
Konjunkturell ist 2024 gezeichnet von einer Rezession, der im zweiten Halbjahr eine flache Erholung folgt. Deutschland verzeichnet einen Rückgang seiner Wirtschaftsleistung von rund 2 %, die US-Wirtschaft schrumpft um 0,5 %.
Die Inflation fällt spürbar, getrieben vor allem von einem deutlich niedrigeren Ölpreis. Dieser Effekt ist in den USA erfahrungsgemäß stärker als in Europa, zumal vor allem dort im Winterhalbjahr 2023/2024 höhere Gaspreise belasten. Die Kernraten geben zwar ebenfalls nach, kommen aber von einem hohen Niveau, so dass hier z. B. in den USA die 2 %-Marke erst im Herbst unterschritten wird.
Die Notenbanken schwenken im negativen Szenario auf einen schnellen Zinssenkungskurs ein, in dem die Leitzinsen in üblicher Manier in kurzer Zeit stark reduziert werden. Sie fallen dabei aber nicht mehr auf die Tiefs aus der Pandemiezeit zurück. Die Fed senkt ihren Leitzins auf 2 %, die EZB den Refinanzierungssatz auf 1,5 %.
Bei Renten führt der kraftvolle Schwenk der Notenbanken zu einem deutlichen Renditerückgang. Die Flucht in vermeintlich sichere Häfen und sinkende langfristige Inflationserwartungen unterstützen diese Entwicklung. Die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen notiert in diesem Szenario Ende 2024 bei rund
1,5 %.
Die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen lassen die Ausfallraten der Corporates steigen und führen zu einer merklichen Ausweitung der Spreads. Für den Bankensektor bedeutet dies steigende Problemkreditquoten. Covered Bonds profitieren bei zunehmender Risikoaversion von ihrem Status als „sicherer Hafen“. Nachgebende Zinsen wirken sich auf die Spread-Entwicklung dämpfend aus.
Die gegenwärtigen Belastungsfaktoren halten an und verschärfen sich sogar noch. Dies lässt die Unternehmensgewinne deutlich zurück gehen. Die Risikoaversion der Anleger nimmt zu und führt zu einer weiteren Bewertungskontraktion. Aktien rutschen in einen Bärenmarkt. Der DAX unterschreitet zwischenzeitlich die Marke von 11.000 Punkten.
„In diese Spiel, wie zwei oder drei, diese Spieler waren schwach wie eine Flasche leer“
Giovanni Trapattoni
Am deutschen Immobilienmarkt nimmt die Talfahrt der Kaufpreise wieder an Fahrt auf. Während der Rückgang bei Wohnimmobilien angesichts der nach wie vor großen Knappheit an Wohnraum überschaubar bleibt, verlieren Büro- und Einzelhandelsimmobilien deutlich an Wert. Daran ändern auch die wieder nied-rigeren Finanzierungskosten nichts.
Gold ist nun als Krisenabsicherung stark gefragt. Das Edelmetall knackt mühelos sein altes Rekordhoch von 2.075 US-Dollar je Feinunze und strebt in Richtung 2.500 US-Dollar.
Auch der US-Dollar ist zunehmend als sicherer Anlagehafen gefragt, nicht nur aufgrund der geopolitischen Unsicherheiten. Schließlich leidet Europa stärker unter der Rezession. Der Euro-Dollar-Kurs fällt bis auf 0,90.
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