Aus Sicht von Aktienanlegern war 2023 über weite Strecken ein gutes bis sehr gutes Jahr. Rund um den Globus konnte das Gros der Indizes zum Teil zweistellige Zuwächse verbuchen und die herben Verluste des Vorjahres aufholen oder zumindest spürbar reduzieren. Dabei erwiesen sich Technologieaktien, die Verlierer des Jahres 2022, als die Zugpferde der Hausse. Im Spätsommer setzte angesichts einer Häufung von Belastungsfaktoren allerdings bei den meisten Börsenbarometern eine Korrektur ein.
Die Liste an Herausforderungen für Aktien ist lang und setzt sich aus rein ökonomischen, aber auch geopolitischen Problemfeldern zusammen. Wird sich die Inflation schnell genug zurückbilden, um den Notenbanken Spielraum für Leitzinssenkungen zu eröffnen? Wird China zum Bremsklotz für die Weltwirtschaft oder springt der Wachstumsmotor wieder an? Hat der globale Industriezyklus seinen Tiefpunkt erreicht und nimmt wieder Fahrt auf? Werden die geopolitischen Spannungen z.B. mit China noch zunehmen? Wie wird sich der Krieg im Nahen Osten entwickeln? Fragen über Fragen!
„Wir dürfen jetzt nur nicht den Sand in den Kopf stecken“
Lothar Matthäus
Eines der herausragenden Themen, das Anleger beschäftigte, ist die Geldpolitik. In der Realwirtschaft sind die Auswirkungen der rasanten Straffung nicht zu übersehen. Auch an den Kapitalmärkten sind die Bremsspuren klar zu erkennen. So wurden zum einen die Leitzinsen in einem fast beispiellosen Tempo nach oben gerissen, zum anderen haben die Notenbanken damit begonnen, die Bilanzsummen zurückzufahren.
Dass sich Dividendentitel trotz zunehmender Konkurrenz durch Zinstitel über weite Strecken behaupten konnten, ist ein gutes Zeichen. Die Käufe basieren offensichtlich auf Überzeugung und sind nicht das Resultat mangelnder Alternativen. Gleichwohl scheint mittlerweile eine Schmerzgrenze erreicht zu sein. Schließlich ist mit vermeintlich sicheren Anlagen am kurzen und zum Teil auch am langen Ende der Zinskurve eine durchaus auskömmliche Rendite zu erzielen. Mit dem Ende des Zinserhöhungszyklus dürfte sich die relative Bewertung jedoch wieder zugunsten von Aktien verschieben. Allerdings sind die Indizes unterschiedlich attraktiv gepreist.
Deutschland ist aufgrund der großen Bedeutung des Verarbeitenden Gewerbes besonders abhängig von der globalen Industriekonjunktur. Nach einer Erholung bis ins Frühjahr 2023 gab das ifo Geschäftsklima angesichts einer weltweiten Schwäche im Verarbeitenden Gewerbe wieder nach. Dies belastete auch den DAX.
Allerdings hat sich die Wachstumsschwäche dank robuster Unternehmensgewinne nicht 1:1 in Form von Kursverlusten niedergeschlagen, sondern vielmehr zu einer Bewertungskompression geführt. Im Ergebnis sind deutsche Dividendentitel damit auf Basis der wichtigsten absoluten Maßstäbe (Kurs-Gewinn-, Kurs-Dividenden , Kurs-Cashflow- und Kurs-Buchwert-Verhältnis) ausgesprochen moderat bewertet.
Der Helaba-Bewertungsindikator für den DAX bewegt sich derzeit leicht unterhalb der langfristigen Spanne. Gleichzeitig dürften die Konjunkturerwartungen hierzulande allmählich ihren Tiefpunkt ausloten. Auch die Stimmung der Anleger war über weite Strecken des Jahres 2023 von Skepsis gegenüber Aktien geprägt. Im Sinne der Kontraindikation hat der Helaba-BEST-Indikator (Bewertung, Erwartung, Stimmung, Technik) zuletzt ein Kaufsignal generiert.
Bis Jahresende 2024 dürfte der DAX die Marke von 17.500 Punkten erreichen. Dies entspricht seinem aktuellen fairen Wert. Man muss für dieses Kursziel also nicht einmal steigende Unternehmensgewinne, sondern lediglich eine Normalisierung der Bewertung unterstellen.
Weniger günstig stellt sich die Bewertungssituation am US-Aktienmarkt dar: Auf Basis der gängigsten Bewertungskennziffern ist der S&P 500 – anders als der DAX – bereits recht teuer. Mit Renditen bei US-Staatsanleihen in Nähe der 5 %-Marke ergibt sich auch bei der relativen Bewertung gegenüber US-Treasuries ein Problem: Die Risikoprämie des S&P 500 beträgt dann lediglich einen Prozentpunkt.
Ein Blick in die längere Historie zeigt allerdings, dass niedrige oder gar negative Risikoprämien keine Seltenheit waren. Über weite Strecken der 90er Jahre oszillierten sie zwischen -2 und 2 Prozentpunkten. Die hohe relative Attraktivität von Aktien gegenüber Renten in den letzten 20 Jahren war in erster Linie das Ergebnis eines (unnatürlich) niedrigen Zinsniveaus. Diese Fehlbewertung des Rentenmarktes wurde in den vergangenen Monaten korrigiert.
Zweifelsohne werden sicherheitsorientierte Anleger durch das gestiegene Renditeniveau zum Teil in Staatsanleihen gelockt. Der Prozess der Reallokation scheint allerdings schon weit vorangeschritten zu sein. Mit dem Auslaufen der Zinserhöhungen der US-Notenbank dürfte sich zudem auch das lange Ende wieder etwas beruhigen, so dass der Gegenwind für US-Aktien nachlässt. Angesichts einer zu erwartenden konjunkturellen Belebung in den USA im Jahresverlauf stehen die Chancen auf steigende Notierungen nicht schlecht. Für Ende 2024 erwarten wir den S&P 500 bei 4.800 Punkten.
„Ich hatte vom Feeling her ein gutes Gefühl“
Andreas Möller
Zugegeben, es ist bei der aktuell von Krisenmeldungen dominierten Nachrichtenlage nicht leicht, den Mut aufzubringen und in Aktien zu investieren. Schließlich hat die Vergangenheit gezeigt, dass sich Aktien durchaus für längere Zeit von ihrem fairen Wert nach unten entfernen können. Überdurchschnittliche Renditen sind aber nur durch die Inkaufnahme eines höheren Risikos zu erzielen.
Erfahrungsgemäß hat es sich langfristig meist ausgezahlt, in unterbewertete Märkte zu investieren. Daher und weil Gefühle nicht selten trügen können, sollte man die Anlageentscheidung auf Basis fundamentaler Faktoren treffen.
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