Polen, Tschechien, Ungarn

Konflikte mit der EU als Konjunkturrisiko

Neben der Wirtschaftsentwicklung stehen in Zentralosteuropa die Beziehungen untereinander und zur EU im Fokus. Deren Qualität hat Auswirkungen auf die Finanzen und die Konjunktur.

Die Erschütterungen, die der russische Angriff auf die Ukraine in Europa ausgelöst hat, werden weit über 2023 hinaus Auswirkungen haben. Dies betrifft nicht nur die Wirtschaft, auch die Beziehungen der zentralosteuropäischen EU-Länder untereinander und zur EU stellt der Konflikt auf die Probe.

Tschechien, das im zweiten Halbjahr 2022 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, sucht am ehesten die Anbindung an die Gemeinschaft. Dagegen sind Polen und Ungarn gespalten zwischen nationaler Eigenständigkeit und dem Bestreben, die dringend notwendigen EU-Gelder nicht aufs Spiel zu setzen. Ungarn mit seinen engen Beziehungen zu Russland und China nutzt die Zustimmung zu Sanktionen bisweilen als Verhandlungsmasse.

In allen drei Ländern sorgen Lieferengpässe, hohe Preise, massive Zinssteigerungen und die schwierige Konjunkturperspektive für einen Einbruch des Wirtschaftsklimas. Dies lastet auf Konsum und Investitionen, wenngleich v.a. in Polen und Tschechien auch Nachfrage durch die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine entsteht.

Die Exporte sind gezeichnet von Lieferkettenproblemen und der schwachen Konjunktur in wichtigen Handelspartnerländern wie Deutschland. Daher dürfte das Wirtschaftswachstum 2023 in keinem der drei Länder über 1 % liegen, das wäre nach 2020 das zweitschwächste Ergebnis seit rund zehn Jahren.

Tschechien

Tschechien

Die Energiesicherheit wird auch 2023 ein zentrales Thema sein. Polen hatte hier früh die Grundlagen für eine Diversifizierung geschaffen, technische Probleme und späte Vertragsabschlüsse sorgen jedoch dafür, dass die Energierechnung vorerst hoch bleibt.

Preisdeckel, z.T. auch direkte Subventionen sollen in den drei Ländern die Auswirkungen für Verbraucher abmildern. Darüber hinaus wollen die Regierungen die Nutzung der Kernkraft ausbauen, was aber längere Vorlaufzeiten haben wird.

Die restriktive Geldpolitik, die gebremste Nachfrage und auch ein Basiseffekt werden 2023 den Anstieg der Verbraucherpreise etwas bremsen. Ein Risiko sind steigende Löhne, da die Arbeitsmärkte relativ eng sind und Arbeitnehmer zumindest einen Teil-Inflationsausgleich anstreben werden. Im Jahresdurchschnitt dürften die Inflationsraten weitgehend zweistellig bleiben. In Polen halten die Parlamentswahlen im Oktober 2023 den Druck hoch, die Verbraucher zu entlasten.

Ungarn

Ungarn

Inflationsimpulse durch geschwächte Währungen

Vor allem in Ungarn liefert die seit Beginn des Ukraine-Kriegs deutlich geschwächte Währung über die Importseite weitere Inflationsimpulse. Eine EU-kompatible Politik der Regierung käme dem Forint zugute und wäre somit auch ein wichtiger Beitrag zu einer niedrigeren Teuerung. Beim Zloty fällt der Wechselkurseinfluss geringer aus.

Die Krone befindet sich gar in einem leichten Aufwertungstrend. Hier zahlt sich aus, dass die Ende 2021 gewählte Regierung nicht auf Konfrontation zur EU geht. Um die Wechselkurse zu verstetigen, intervenieren die Länder bei Bedarf direkt oder indirekt am Devisenmarkt.

Polen

Polen

Notenbanken im Dilemma

Die weitere Wechselkursentwicklung hängt aber auch davon ab, wie strikt die Notenbanken die Inflationsbekämpfung verfolgen. Denn sie befinden sich in einem echten Dilemma: Die schwache Konjunktur spricht für monetäre Lockerungen. Die Inflation sprengt aber alle Zielwerte und die Risikoaversion der Investoren belastet die Währungen.

Kräftige Zinsanhebungen seit 2021 verteuern Kredite und bremsen die Konjunkturdynamik. Sie sollen vermeiden, dass sich hohe Inflationserwartungen verankern, die Vorzieheffekte bei der Nachfrage auslösen und weitere Inflationsimpulse setzen würden.

Die Kommunikation der Notenbanken ist Ausdruck dieser Ambivalenz: So wurde die Ankündigung baldiger Lockerungen in Tschechien relativiert, in Ungarn wurde zwar der Zinserhöhungszyklus für beendet erklärt, zur Steuerung werden alternativ aber auch kurzfristige geldpolitische Instrumente genutzt. Mit ersten Zinssenkungen in der Region ist im zweiten Halbjahr 2023 zu rechnen, das Zinsniveau bleibt dann weiter-hin vergleichsweise hoch.

Die höheren Zinsen haben auch Auswirkungen auf die öffentlichen Finanzen, denn kräftig gestiegene Anleihenrenditen verteuern die Refinanzierung. Hinzu kommen Maßnahmen, um die Auswirkungen der Krise auf Haushalte und Unternehmen abzufedern, so dass die Budgetsalden z.T. nennenswert oberhalb der 3 %-Marke bleiben. Die Schuldenstände sollten jedoch mit rund 40 % (Tschechien) bis 70 % (Ungarn) weiter den EU-Durchschnitt deutlich unterschreiten.

Haushalts- und Konjunkturrisiken bei verschlechterten Beziehungen zur EU

Die Entwicklung der Wirtschaft und der öffentlichen Haushalte ist untrennbar verbunden mit den Beziehungen zur EU. Polen und Ungarn, die von der EU mehrfach vor allem für ihre Eingriffe ins Justizwesen kritisiert wurden, müssen hier eine auf Dauer tragfähige Einigung erzielen, da sonst der Entzug von Kohäsionsmitteln, die Blockade von Wiederaufbaugeldern und der Vertrauensverlust von Investoren drohen. Allein aus den Kohäsionsfonds sind für Ungarn bis 2027 gut 20 Mrd. Euro eingeplant, für Polen über 70 Mrd. Euro. Dies entspricht je rund 13-15 % des BIP im Jahr 2021.

Während Polen zuletzt weniger kompromissbereit schien, hat Ungarn eine Integritätsbehörde geschaffen, die ab November 2022 Verdachtsfälle auf Missbrauch von EU-Geldern untersuchen soll. Ob dies die EU besänftigt oder ob Nachbesserungen erforderlich sind, ist noch offen.

„Mitteleuropa ist unser gemeinsames Zuhause und wir haben gemeinsame Interessen.“

Mateusz Morawiecki, polnischer Premierminister

Die Motivation zur Deeskalation sollte hoch sein, denn ausbleibende EU-Mittel und hohe Anleihezinsen werden den Preis der Konfrontation nach oben treiben und so den innenpolitischen Druck stark erhöhen. Sollte keine Einigung erfolgen, scheint die EU-Kommission diesmal entschlossen, die Konsequenzen einer Verletzung gemeinsamer Werte zu ahnden.

Untereinander bemühen sich die Länder der Visegrád-Gruppe (Polen, Tschechien, Ungarn, Slowakei) um eine Verbesserung ihrer Beziehungen, die durch die unterschiedliche Haltung gegenüber Russland belastet sind. Schon bei früheren Gelegenheiten wurde bei EU-Abstimmungen das gemeinsame politische Gewicht in die Waagschale geworfen, so etwa bei Migrationsthemen. Nach einer frostigen Phase aufgrund der ab-weichenden Einstellung Ungarns in Sanktionsfragen sollen nun Gespräche auf höchster Ebene eine Wiederannäherung bringen.

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Die Publikation ist mit größter Sorgfalt bearbeitet worden. Sie enthält jedoch lediglich unverbindliche Analysen und Prognosen zu den gegenwärtigen und zukünftigen Marktverhältnissen. Die Angaben beruhen auf Quellen, die wir für zuverlässig halten, für deren Richtigkeit, Vollständigkeit oder Aktualität wir aber keine Gewähr übernehmen können. Sämtliche in dieser Publikation getroffenen Angaben dienen der Information. Sie dürfen nicht als Angebot oder Empfehlung für Anlageentscheidungen verstanden werden.

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