Der US-Dollar profitierte 2022 von einer seltenen Kombination aus einer deutlich restriktiveren Fed-Politik und einer Fluchtbewegung in sichere Häfen. Die US-Währung legte auf breiter Front zu, der Euro-Dollar-Kurs fiel erstmals seit 20 Jahren unter die Parität. Der handelsgewichtete Dollar-Index erreichte langjährige Höhen, in realer Rechnung den höchsten Stand seit Mitte der achtziger Jahre. Hat die „Dollar-Herrschaft“ 2023 Bestand?
Im Vergleich zu den vorherigen Zyklen hat die Fed ihren Leitzins diesmal sehr zügig angehoben. Der kurzfristige US-Renditevorteil gegenüber der Eurozone stieg, was den Dollar attraktiver machte. Solange sich kein Ende der Zinserhöhungen abzeichnet, erhält der Dollar grundsätzlich noch Rückenwind. Dessen extremer Höhenflug in den achtziger Jahren begründete sich jedoch auf noch viel größeren Zinsschritten in den zweistelligen Bereich, die diesmal nicht zu erwarten sind.
Die konjunkturellen Auswirkungen der restriktiven Geldpolitik werden sich 2023 bemerkbar machen und die Inflation wird nachlassen, so dass dann ein Ende der Zinserhöhungen absehbar wird. Zudem legen andere Notenbanken wie die EZB nach. Im Laufe des Jahres dürfte daher der US-Renditevorteil zurückgehen und die Währung damit leichten Gegenwind bekommen.
Die Sorgen aufgrund des Ukraine-Kriegs und um die Energieversorgung Europas strahlen ebenso auf den Devisenmarkt ab. Einmal mehr ist der Greenback als sicherer Anlagehafen in unruhigen Zeiten gefragt. Wenigstens die Energieproblematik sollte 2023 an Schärfe verlieren. Wenn auch konjunkturell die gröbsten Schwierigkeiten überwunden sind, wird sich die Laune an den Finanzmärkten aufhellen. Die US-Fluchtwährung verliert ihren Anreiz.
Die US-Wirtschaft kann von der Energiekrise teilweise profitieren. Höhere Exporte von Flüssiggas verbessern immerhin die Handelsbilanz. Die Fehlbeträge im Außenhandel und in der Leistungsbilanz verringern sich jedoch nur geringfügig. Dem nun deutlicheren Kostenvorteil bei Energie steht der starke Anstieg des Dollar entgegen. Das „Zwillingsdefizit“ – die Summe aus Budget und Leistungsbilanz – ist von den Rekordwerten aus der Pandemie zurückgekommen, bleibt aber überdurchschnittlich groß.
Die Überbewertung des Dollar hat nach der Kaufkraftparität gegenüber dem Euro ein Ausmaß angenommen, das nur 1984/1985 für wenige Monate existierte. International wird die Dollar-Stärke durchaus kritisch gesehen, in den USA bislang kaum. Selbst die Rolle als Weltleitwährung wird vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen von manchen in Frage gestellt. Allerdings gibt es hierfür zum Dollar weit und breit keine Alternative.
Auch wenn der Dollar der „König“ am Devisenmarkt bleibt, wird sein Höhenflug 2023 vermutlich an Fahrt verlieren. Das schließt nicht aus, dass der Greenback in Phasen hoher Nervosität temporär neue Höhen erklimmt. Aber letztlich lässt der Rückenwind nach. Umgekehrt wird sich der Euro im Laufe des Jahres erholen. Der Euro-Dollar-Kurs dürfte wieder klar über der Parität notieren und könnte in der Spitze bis auf 1,10 klettern.
„But the dollar has become a wrecking ball, rising far higher than one would expect based on fundamentals. Its extraordinary spike is driven by investors who think the dollar is the only haven and speculators betting that it will keep rising.“
Ruchir Sharma, Investor
Das Pfund Sterling geriet unter Druck. Nicht nur gegenüber dem übermächtigen Dollar, sondern selbst gegenüber dem Euro wertete die Währung ab. Für die größten Ausschläge sorgten die politischen Turbulenzen wegen einer unseriösen Haushaltspolitik. Volkswirtschaften mit hohen Leistungsbilanzdefiziten wie Großbritannien sind anfällig. Mittelfristig ist jedoch die Mischung aus sehr hoher Inflation bei gleichzeitiger Rezession gravierender.
Immerhin funktionieren die politischen Institutionen in Großbritannien noch. Die Regierung strebt nun eine solidere Haushaltspolitik an. Die Bank of England wird ihren Leitzins kräftig anheben, was die relative Attraktivität des Pfunds erhöht.
Ungeachtet von Kursausschlägen sollte dies die Währung auf dem niedrigen Niveau zunächst stabilisieren. Die Rezession durch Preis- und Zinsschock ist zwar unvermeidlich, kann aber im Laufe von 2023 überwunden werden, zumal die Inflation nachlassen wird. Damit sollte sich die Grundstimmung für die Währung aufhellen. Der Euro-Pfund-Kurs dürfte Ende 2023 um 0,85 notieren.
Die Schweizer Währung war in Krisenzeiten einmal mehr gefragt und konnte im europäischen Vergleich zulegen. Der Euro-Franken-Kurs rutschte unter Parität.
Den sicheren Anlagehafen stützte zudem die geldpolitische Kehrtwende in der Schweiz. Die Notenbank SNB hob ihren Leitzins in positives Terrain an. Zudem scheint sie ihre Angst vor einer zu starken Währung verloren zu haben – mit Interventionen gegen die eigene Währung ist vorerst nicht zu rechnen. Schließlich dämpft die Aufwertung die Inflation, die in der Schweiz mit rund 3 % selbst 2022 relativ niedrig ausfällt.
Ein Umfeld steigender Kapitalmarktrenditen ist in der Regel ein Belastungsfaktor für den Franken, da aufgrund der stärkeren Zinserhöhungen der EZB – oder ihrer Vorgänger – der Renditenachteil des Franken zunimmt. Dies zeigt sich auch diesmal: Der Zinsvorteil des Euro erreicht Dimensionen wie vor zehn Jahren, als der Wechselkurs noch viel höher notierte.
Außerdem sollte der Franken 2023 als Fluchtwährung weniger gefragt sein. Die alten Höhen bleiben Utopie, aber zumindest dürfte sich der Euro-Franken-Kurs wieder oberhalb der Parität einpendeln.
Der Japanische Yen war unter den führenden Währung 2022 der große Verlierer und wurde fast nur noch von den klassischen Weichwährungen aus Argentinien und der Türkei unterboten. Dabei ist Japan weit weg vom Ukraine-Krieg und der Inflationsanstieg fällt hier recht moderat aus. Als sicherer Anlagehafen gilt der Yen anscheinend nicht mehr.
Allerdings leidet die Währung – anders als bislang der Franken – unter dem globalen Renditeanstieg. Der Zinsvorteil von Dollar und auch Euro gegenüber dem Yen weitete sich massiv aus und versetzte die Währung in den Sinkflug.
Insbesondere weil die Bank of Japan – anders als die SNB – bislang nicht an ihrer Nullzinspolitik bzw. Zinskurvensteuerung rüttelt. Sie versucht dagegen mit Hilfe von Interventionen die Talfahrt zu bremsen. Vermutlich würden – unter einer neuen Notenbankführung – 2023 schon kleinere Anpassungen ausreichen, um eine Kehrtwende einzuleiten.
Schließlich hat die Unterbewertung gemäß Kaufkraftparität gegenüber dem Dollar bereits ein extremes Ausmaß erreicht. Dies sollte Japan auch als Investitionsstandort attraktiver machen. Außerdem dürfte der globale Renditeanstieg auslaufen. Während der Yen gegenüber dem US-Dollar sogar ein deutliches Erholungspotenzial besitzt, dürfte er gegenüber dem Euro leicht zulegen.
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