Es gibt wirtschaftliche Treiber, zum Beispiel steigende Rohstoffpreise. Ein großer Druck entsteht durch die Öffentlichkeit, wo Bewegungen wie „Fridays for Future“ für eine Sensibilisierung am Esstisch sorgen: Die Generationen kommen ins Gespräch, die Jüngeren machen den Älteren klar, welche Forderungen es gibt und warum diese so dringlich sind.
Sprich: Die junge Generation gibt den Takt vor.
Das ist sehr interessant: Die Gesellschaft funktioniert hier wie ein Seismograph, der die Themen vorgibt, mit denen sich die Unternehmen in naher Zukunft beschäftigen müssen – und es daher besser schon heute tun.
Weil sie sich sonst Risiken aussetzen?
Genau. Wir sprechen in diesem Zusammenhang von einer gesellschaftlich gewährten Geschäftslizenz: Je stärker die Unternehmen Reputationsrisiken in Kauf nehmen, desto volatiler ist ihr Geschäftsmodell. Wobei ich denke, dass der Begriff des Risikos in Bezug auf die Nachhaltigkeit neu gedacht werden muss.
Warum?
Es gibt Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die sagen, dass jede Aussage eines Unternehmens über das, was in der Zukunft liegt, per se ein Risiko darstellt. Klar: Man weiß ja nicht, ob ein quantifizierbares Ziel erreicht wird oder nicht. In der Folge berichten Unternehmen lieber, was sie bislang in Sachen Nachhaltigkeit getan haben. Das reicht aber heute nicht mehr aus. Wir brauchen Unternehmen, die ambitionierte Ziele formulieren. Weshalb sich alle Akteure, auch der Finanzmarkt mit seinen Investoren, Gedanken darüber machen sollten, wie tolerant man gegenüber Zielverfehlungen ist.
Ich denke, es muss in diesem System zulässig sein, darzulegen, warum ich ein bestimmtes Nachhaltigkeitsziel nicht erreicht habe. Eine solche Toleranz motiviert im besten Fall die beachtliche Zahl an Unternehmen, die noch gar nicht in Sachen Nachhaltigkeit unterwegs sind, endlich mitzumachen.
„Es muss in diesem System zulässig sein, darzulegen, warum ich ein bestimmtes Nachhaltigkeitsziel nicht erreicht habe. Eine solche Toleranz motiviert im besten Fall die beachtliche Zahl an Unternehmen, die noch gar nicht in Sachen Nachhaltigkeit unterwegs sind, endlich mitzumachen."
Yvonne Zwick,
Vorsitzende des Netzwerks B.A.U.M
Yvonne Zwick
Seit Anfang 2021 ist Yvonne Zwick Vorsitzende des Netzwerks B.A.U.M. Zuvor war sie 16 Jahre lang in verschiedenen Positionen im Rat für Nachhaltige Entwicklung tätig. Sie gehört zudem zu Futurewoman, einer Initiative, die Frauen in der Nachhaltigkeit sichtbar macht und in ihren Karrieren fördert.
Dann bekommen sie früher oder später ein Problem, ausgehend davon, dass der Finanzmarkt das Thema in den Blick nimmt. Haben die Banken für ihre Portfolios und Kreditgeschäfte eindeutige Dekarbonisierungsstrategien, führen sie Klimaszenario-Analysen oder Stresstests durch, dann können die Geschäftskunden nicht länger sagen: „Kümmert uns nicht.“ Die Zeichen stehen auf Grün, stehen auf Nachhaltigkeit. Für die Finanzwirtschaft, und damit nachlaufend automatisch auch für die Realwirtschaft.
Das Finanzwesen sitzt also am Hebel ...
Ja, denn dort will man gute Gewinne erzielen. Sprich: solide Gewinne. Der reine Blick auf tagesaktuelle Gewinnkennzahlen führt zu einer Scheinobjektivität, die jedoch die Risiken ausblendet. Ich plädiere daher dafür, die Kosten für Raubbau an der Natur, soziale Ungerechtigkeit, Ressourcenverschwendung und den CO2-Ausstoß noch deutlicher zu benennen.
Warum nicht diese negativen Effekte wirtschaftlich erheben? Im Sinne eines Controllings und Accountings für Nachhaltigkeitsthemen? Das hätte zur Folge, dass wir neben dem ökonomischen Erfolg auch den ökologischen und sozialen Impact eines Unternehmens bilanzieren, um damit herauszufinden: Welchen Wert besitzt dieses Geschäftsmodell heute und in der Zukunft? Und diese Antwort zu erfahren – das ist ja genau das Interesse der Finanzwelt.
Info Unternehmen B.A.U.M.
Der Bundesdeutsche Arbeitskreis für Umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e. V. verbindet seit 1984 ökonomische, ökologische und soziale Fragen und ist heute mit rund 550 Mitgliedern ein starkes Unternehmensnetzwerk für nachhaltiges Wirtschaften.
Wichtige Begriffe rund um Nachhaltigkeit, Sustainability und Green Finance anschaulich erklärt.