Aktienanlegern brachte das Jahr 2022 über weite Strecken herbe Verluste. Rund um den Globus verzeichneten die Indizes massive Kursrückgänge von zeitweise mehr als 20 %. Damit rutschten die wichtigsten Börsenbarometer in einen Bärenmarkt.
Den größten Einbruch verzeichnete der Technologiesektor. Im Zuge der Pandemie hatte die Digitalisierungsfantasie die Bewertungen auf zum Teil astronomische Höhen katapultiert. Vom Zinsanstieg sind daher gerade diese Titel besonders negativ betroffen. Denn so wie die Liquiditätsflut der Notenbanken in den vergangenen Jahren die Preise (fast) aller Assetklassen gehoben hat, so senkt deren restriktiver Kurs sie nun wieder.
Gegen den Trend zulegen konnten dagegen Energietitel. Dieser Sektor ist der einzige im STOXX 600, dem breiten Aggregat für Europa, der mit einem stattlichen Plus von zwischenzeitlich mehr als 20 % aufwarten kann.
Krieg in der Ukraine, Energiepreisexplosion, Zweifel an der Versorgungssicherheit, davoneilende Inflation, deutlich steigende Leit- und Kapitalmarktzinsen und als Konsequenz aus alldem Rezessionsängste dominierten bislang das Geschehen an den Finanzmärkten. Eine besondere Herausforderung für Aktien ist es, dass die Notenbanken angesichts der hohen Inflation gezwungen sind, trotz des konjunkturellen Abschwungs die Zinsen weiter zu erhöhen. Damit entstand enormer Druck auf die zu Beginn der Zinserhöhungen sehr hohen Bewertungen.
Allerdings wirkt sich Inflation in der Summe meist positiv auf die Unternehmensergebnisse aus. Die gestiegenen Gewinnmargen zeigen, dass die Unternehmen auf Indexebene betrachtet die höheren Kosten mehr als ausgleichen konnten. Trotz des wirtschaftlichen Abschwungs haben sich daher die Unternehmensgewinne bislang überraschend positiv entwickelt. Damit hat sich die Bewertungssituation bei den international führenden Aktienindizes deutlich entspannt. Euro-Titel sind sogar besonders günstig zu haben.
„Die meisten Menschen bilden ihre Erwartungen, indem sie den vorherrschenden Trend fortschreiben.“
Markus Reinwand, CFA
Der DAX hat in der Spitze in diesem Jahr bereits mehr als 26 % verloren. Die zahlreichen Belastungsfaktoren dürften damit hinreichend eskomptiert sein. Kaum jemand kann sich vorstellen, dass sich das fundamentale Bild bald nachhaltig aufhellen wird.
Das erinnert an all die früheren Bärenmärkte und Krisen. Die Auslöser oder Gründe waren zwar immer verschieden (New Economy-Blase, Wirtschafts- und Finanzkrise, Staatsschuldenkrise, Pandemie), aber die Auswirkungen sind jedes Mal die gleichen: Aktien erleiden empfindliche Kursverluste. Und dennoch folgte auf jeden Abschwung stets ein Aufschwung.
Das Timing ist aber eine Herausforderung, da Aktien der Konjunktur rund ein halbes Jahr vorauslaufen und bereits zu steigen beginnen, wenn die Fundamentaldaten und die Nachrichtenlage noch düster sind. Diese Phase ist zumeist mit erhöhter Volatilität verbunden und kann kurzfristig zu weiteren Kursverlusten führen. Allerdings bietet genau dieses Zeitfenster die höchsten Renditechancen.
Wie kann man also einerseits diese Chance nutzen, andererseits aber das Risiko minimieren, in das sprich-wörtliche fallende Messer zu greifen? Die vier wichtigsten Bedingungen dafür, dass Aktien ihren Boden ausbilden, sind: eine günstige Bewertung, bereits sehr negative Konjunkturerwartungen, eine ausgesprochen pessimistische Stimmung unter den Anlegern und eine mittelfristige technische Überverkauft-Situation des Aktienindex.
Wir haben daher die besten Indikatoren aus den verschiedenen Teilgebieten der Aktienanalyse – Fundamentalanalyse, Behavioral Finance und Technische Analyse – ausgewählt und zu einem einzigen Indikator, dem Helaba-BEST-Indikator (Bewertung, Stimmung, Technik) zusammengefasst.
Inzwischen hat dieser Indikator ein klares Kaufsignal gegeben. Dabei geben alle Teilindikatoren für den DAX grünes Licht: Die Bewertung ist günstig, die Konjunkturerwartungen sind noch sehr negativ, die Stimmung unter den Anlegern war ausgesprochen pessimistisch und der DAX mittelfristig technisch überverkauft. Die Chancen, dass das deutsche Börsenbarometer seinen Boden erreicht hat, stehen somit nicht schlecht. Bis Jahresende 2023 dürfte der DAX die 16.000er Marke ansteuern.
Der S&P 500 war in der Spitze um 25 % gesunken und damit ähnlich stark wie der DAX. Für den US-Aktienmarkt gelten die gleichen Belastungsfaktoren wie hierzulande: Inflation, Zinserhöhungen und Wachstumsängste. Allerdings ist die Konjunkturstimmung längst nicht so schlecht wie hierzulande. Dies hängt unter anderem damit zusammen, dass die unmittelbare Betroffenheit von den Auswirkungen des Krieges geringer und die Sicherheit der Energieversorgung kein Thema ist.
Ein weiterer Unterschied zum DAX besteht in der Bewertung. Zwar hat auch der S&P 500 bislang einen deutlichen Bewertungsabbau vollzogen. Aufgrund der zuvor viel stärker ausgeprägten Überbewertung hat dies allerdings lediglich dazu geführt, dass US-Standardwerte inzwischen fair gepreist, nicht aber wie deutsche Titel günstig sind.
„Immer wenn man die Meinung der Mehrheit teilt, ist es Zeit, sich zu besinnen.“
Mark Twain
Während die ersten beiden Bedingungen für eine Bodenbildung – eine günstige Bewertung und sehr negative Konjunkturerwartungen – derzeit noch nicht erfüllt sind, haben die Anlegerstimmung und die mittelfristige technische Überverkauft-Situation im Sinne der Kontraindikation ein klares Kaufsignal geliefert.
Ein ähnlich ausgeprägter Pessimismus der US-Anleger – gemessen an Stimmungsumfragen unter Investoren sowie Daten zur Aktienpositionierung – war in der Vergangenheit ein zuverlässiges Indiz für eine nahende Bodenbildung und daran anknüpfend überdurchschnittliche Erholung. Bis Jahresende 2023 rechnen wir damit, dass der S&P 500 die Marke von 4.800 Punkten erreicht.
Zugegeben, es ist bei dieser Nachrichtenlage nicht leicht, den Mut aufzubringen und in Aktien zu investieren. An der Börse wird stets die Zukunft gehandelt und die ist bekanntlich ungewiss. Nur die Inkaufnahme eines höheren Risikos eröffnet aber auch die Chance auf überdurchschnittliche Renditen.
Die Risikoabwägung ist immer eine sehr individuelle Angelegenheit. Durch die zeitliche Staffelung des Einstiegs und durch Diversifikation lassen sich Timing- und Einzeltitelrisiken jedoch signifikant reduzieren.
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