26.11.2019
Der Konjunktur- und Kapitalmarktausblick der Helaba entführt in die Theaterwelt und beantwortet die Frage, welches Stück 2020 gespielt wird: Melodram, Komödie oder Tragödie?
Die Weltwirtschaft steht Ende 2019 am Rande einer Rezession, dem ökonomischen Pendant zu einem Nervenzusammenbruch. Die Helaba-Volkswirte gehen aber davon aus, dass sich die Konjunktur ins Jahr 2020 hinein fangen wird und die weltwirtschaftliche Expansion sich fortsetzt, wenn auch mit über-schaubarer Dynamik. Wesentlich für das Theatergenre Melodram ist nämlich, dass das Stück trotz erheblicher Risiken und Unsicherheiten ein gutes Ende nimmt. So zeigen die Protagonisten Einsicht in das Notwendige: Denn weder die USA noch China haben einen Anreiz, den Handelskonflikt so eskalieren zu lassen, dass die Weltkonjunktur gegen die Wand fährt. Mit der Entspannung im Handelsstreit und einer geordneten Brexit-Lösung hellen sich die Perspektiven weltweit wieder auf. Die Fiskalpolitik wird 2020 insgesamt leicht expansiv wirken und die geldpolitische Kehrtwende der großen Notenbanken im laufenden Jahr wird sich zunehmend positiv auf die Konjunktur auswirken.
„Im Abschwung werde ich immer gefragt: Wo soll es denn herkommen? Es mag wie eine Plattitüde erscheinen, aber der Aufschwung kommt in der Regel genau aus der Ecke, in der vorher die konjunkturelle Schwäche konzentriert war. Bühne frei für eine Erholung im globalen Industriezyklus!“, erklärt Dr. Gertrud R. Traud, Chefvolkswirtin der Helaba.
Davon dürfte vor allem Deutschland dank der hier besonders wichtigen Industrie profitieren. Der private Konsum und die Bautätigkeit geben weiterhin Impulse. Allerdings begrenzen strukturelle Hemmnisse und eine mangelnde Reformtätigkeit die Dynamik. Daher fällt das Wirtschaftswachstum in Deutschland trotz konjunktureller Belebung im Jahresdurchschnitt 2020 mit einem Prozent verhalten aus. Etwas besser wird voraussichtlich die Eurozone mit 1,3 Prozent abschneiden.
In den USA wird die Erholung 2020 etwas schleppender ausfallen. Trotz der unterstellten Entspannung kann das Verhältnis zu China nicht an die Zeit vor 2018 anknüpfen. Während die Konjunktur von der geldpolitischen Lockerung im Vorjahr profitiert, sind von der Fiskalpolitik keine Impulse zu erwarten. Denn im Wahlkampf ist die erforderliche Kooperation des US-Präsidenten mit den Demokraten nahezu unmöglich. Die Wirtschaft dürfte mit 2 Prozent etwas schwächer als im Vorjahr expandieren.
Insgesamt enthält die Studie 14 Länderanalysen sowie Kurzberichte zu den Bundesländern Hessen, Thüringen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.
Die männlichen Hauptdarsteller der neuen Saison sind weitgehend bekannt: Erneut werden sich der große Blonde jenseits des Atlantiks und sein Pendant in London in den Vordergrund spielen. Zu einem Melodram gehört häufig Musik. Erstmals hält eine Frau den Dirigentenstab der Europäischen Zentralbank. Christine Lagarde wird kurzfristig kaum von der Partitur ihres Vorgängers abweichen. Um Handlungsfähigkeit zu unterstreichen, dürfte der EZB-Rat den Einlagenzins sogar noch einmal senken, um dann eine längere zinspolitische Pause einzulegen. Die US-Notenbank wird angesichts der konjunkturellen Stabilisierung und moderater Teuerung 2020 in Wartestellung bleiben.
Bei Aktien und Renten ist das Ertragspotenzial 2020 überschaubar. Für das Jahresende erwarten die Helaba-Volkswirte die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen bei -0,2 Prozent. Gegen eine nachhaltige Rückkehr in den positiven Renditebereich sprechen neben der fortgesetzt lockeren Geldpolitik anhaltend niedrige Inflationserwartungen. Bei Aktien dürfte es zeitweilig zu Übertreibungen kommen, weil der Mangel an Anlagealternativen anhält. Ein Ausflug des DAX über die Marke von 14.000 Punkten dürfte sich aber als nicht nachhaltig erweisen. Gegen Jahresende wird der Index um 13.500 Punkte notieren.
Immobilien bleiben angesichts extrem niedriger Zinsen beim Anleger-Publikum beliebt. Allerdings könnte die jüngste wirtschaftliche Schwäche dafür sorgen, dass Mieten und Kaufpreise 2020 etwas weniger dynamisch zulegen. Am deutschen Wohnungsmarkt wird sich die Lage nicht entspannen, solange restriktive politische Maßnahmen die Neubautätigkeit belasten.
Der US-Dollar ist deutlich überbewertet und die US-Handels- sowie -Haushaltsdefizite mahnen zur Vorsicht. Auch dürfte der politische Gegenwind für den Euro 2020 nachlassen. Wenn zudem die Eurozone konjunkturelle Lebenszeichen gibt, wird der Euro-Dollar-Kurs bis Jahresende auf 1,25 steigen.
Gold glänzt auch 2020 im Rampenlicht. Im Jahresverlauf dürfte das Edelmetall bis auf 1.700 US-Dollar je Unze steigen. Aufgrund der Wechselkursentwicklung ergibt sich in Euro lediglich eine Seitwärtsbewegung um 1.400 Euro je Unze.
Im negativen Alternativszenario geht es zu wie in einer klassischen Tragödie. Dabei durchlaufen die Hauptfiguren schicksalhafte Entwicklungen: Großbritannien versinkt mit seinen Brexit-Protagonisten im politischen Chaos. US-Präsident Trump möchte im Wahlkampf bestehen, indem er den Handelskonflikt eskaliert und einen Währungskrieg riskiert. Eine globale Rezession ist die Folge. Der DAX fällt unter 9.000 Punkte. Im internationalen Abwertungswettlauf wird der US-Dollar zum unfreiwilligen Gewinner, während der Euro unter zunehmenden politischen Konflikten in der Währungsunion leidet. Der Euro-Dollar-Kurs fällt auf 0,95. Die Preise für deutsche Staatspapiere und US-Treasuries dürften extrem steigen, getrieben von der geldpolitischen Lockerung. Gold wird seinem Ruf als Krisenwährung gerecht und überwindet alte Höchststände.
Wie in einer Komödie herrscht im positiven Alternativszenario eine heitere Grundstimmung. Auf der weltpolitischen Bühne werden die teilweise skurrilen Persönlichkeitszüge einiger Protagonisten nicht mehr als Belastung wahrgenommen, sondern münden in eine kooperative Zusammenarbeit der Nationen.
Das Wirtschaftswachstum in Deutschland, in der Eurozone und den USA beschleunigt sich deutlich. Dies gibt EZB-Chefin Lagarde Rückhalt, die geldpolitische Wende zu vollziehen. 10-jährige Bundesanleihen rentieren bei 0,8 Prozent und der Euro-Dollar-Kurs steigt auf 1,35. Die Aktienmärkte applaudieren kräftig – der DAX kann die 15.000er Marke toppen.
Neben der Printfassung stellen wir den Jahresausblick auch in einer Online-Variante unter www.helaba.com/de/research zur Verfügung. Dort können Sie zusätzliche multimediale Inhalte abrufen.